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Einstellung der Straßenbahnlinie 8 im Jahre 1989

   
   


Die Geschichte der Straßenbahnlinie 8

 
Erst mit der Einführung von Ziffernsignalen in Wien im Jahre 1907 kann vom "8er" gesprochen werden. Jahrzehntelang verkehrte er auf nahezu unveränderte Strecke zwischen Liechtenwerder Platz und Meidling. Die Besonderheit an dieser Linie war der Parallelverkehr mit der Stadtbahn am Westgürtel. Der Parallelverkehr sollte dann der Grund für deren Einstellung sein.


Der Streckenverlauf
[Eichenstraße - Dörfelstraße - Murlingengasse - Hoffmanngasse, = Schleife] - Eichenstraße - Meidlinger Hauptstraße -  Ullmannstraße - Sechshauser Straße - Mariahilfer Gürtel - Europaplatz - Neubaugürtel - Lerchenfelder Gürtel - Hernalser Gürtel - Währinger Gürtel - [Heiligenstädter Straße - Glatzgasse - Währinger Gürtel, = Schleife]

Der 8er verfügte am Gürtel über eine eigene Trasse. Eine ideale Voraussetzung im modernen städtischen Verkehr. Mit der Errichtung von Ampelanlagen entlang des Gürtels und der nicht vorhanden Ampelbeeinflussung durch öffentliche Verkehrsmittel wurde die Straßenbahn leider an den Kreuzungen mehr und mehr behindert, was die Durchschnittsgeschwindigkeit stark nach unten drückte.
 

Der "8er" auf neuen Wegen

  • Infolge des Neubaus der Stadtbahnstation Meidling Hauptstraße wurde 1968 die Straßenbahn in der Meidlinger Hauptstraße am nördlichen Ende in die Theresienbadgasse verlegt.

  • Weiters wurde in diesem Jahr die Strecke zwischen Mariahilfer Straße und Sechshauser Straße auf dem Mariahilfer Gürtel von der West- auf die Ostseite verlegt.

  • Im Jahre 1970 wurde die Strecke der Linie 8 zwischen Gürtel und Stiegergasse von der Sechshauser Straße in die Ullmannstraße verlegt. Damit wurde der Straßenzug auf seiner gesamten Länge befahren. Gleichzeitig war dies die letzte Streckenänderung vor der Stilllegung.
     

Straßenbahn vs. U-Bahn in Wien
 
Bis dato wird in Wien vor bzw. bei der Eröffnung einer neuen U-Bahnstrecke der "parallel" dazu verlaufende Straßenbahnverkehr eingestellt.
Beispiele für nicht parallel geführte Strecken sind die der Linie T (1984 eingestellt) und der Linie 21 zwischen Schwedenplatz und Praterstern (der Abschnitt Heinestraße - Mühlfeldgasse wurde 2008 eingestellt, die Strecke wird in betriebsfähigem Zustand gehalten; die restliche Strecke wird von den Linien 2 und 5 weiterhin befahren).

Auf der Gürtelstrecke der heutigen U6 gab es vor 1989, also bevor die Stadtbahnlinien G und GD zur U6 wurden, über ein dreiviertel Jahrhundert Parallelverkehr auf wenigen Meter Entfernung zur Straßenbahnlinie 8.
Die Stadtbahn wurde ab 1925 städtisch, bis 1918 gehörten die Strecken der Stadtbahn zur k.k. Staatsbahn, dazwischen ruhte der Verkehr.

Durch die Inbetriebnahme der Stationen Thaliastraße und Michelbeuern-AKH am 27.09.1980 bzw. 31.10.1987 wurden die letzten großen Umsteigeknoten entlang des Westgürtels mit der Stadtbahn erschlossen. Eine Vorleistung um die Straßenbahnlinie 8 einstellen zu können.
Ab 1983 wurde an einer Verlängerung der Gürtellinie der Stadtbahn (Linien G/GD) bis zur Philadelphiabrücke in Meidling gearbeitet, um sie danach in U6 umzubenennen. Ab diesem Zeitpunkt wäre die Route beider Verkehrsmittel nach Sicht der Wiener Stadtregierung "identisch" gewesen und so unwirtschaftlich zu betreiben. Als Konsequenz ist die Straßenbahn mit der Inbetriebnahme der U6 sofort einzustellen, wie es bei jeder U-Bahnverlängerung mit "parallel" verkehrenden Straßenbahnlinien der Fall ist.

Bezirke, die durch die Straßenbahnlinie erschlossen waren (von Süd nach Nord):
12. Meidling (78.268 Einwohner, Stand: 2001)
15. Rudolfsheim-Fünfhaus (64.895 Einwohner, Stand: 2001)
  6. Mariahilf (27.867 Einwohner, Stand: 2001)
  7. Neubau (28.292 Einwohner, Stand: 2001)
16. Ottakring (86.129 Einwohner, Stand: 2001)
  8. Josefstadt (22.572 Einwohner, Stand: 2001)
17. Hernals (47.610 Einwohner, Stand: 2001)
  9. Alsergrund (37.816 Einwohner, Stand: 2001)
18. Währing (44.992 Einwohner, Stand: 2001)
19. Döbling (64.030 Einwohner, Stand: 2001)


 


Straßenbahn vs. U-Bahn - ein Widerspruch?

 
Das Kostenargument wurde als eines der Hauptgründe für die Stilllegung genannt. Dagegen sprach bis zuletzt die gute Auslastung des 8ers, sonst hätte man diese "unrentable" Parallelführung am Gürtel wohl schon früher aufgegeben. Zudem sind beide Verkehrsmittel für unterschiedliche Fahrgastgruppen konzipiert:

Straßenbahn:
Das Verkehrsmittel dient der Feinerschließung, es weist daher kurze Haltestellenabstände von durchschnittlich 300 bis 400 m auf. Außerdem werden durch die Straßenbahn auch kleinere Umsteigeknoten erschlossen. Kürzere Zugangs- und Umsteigewege sind so möglich.
Der durchschnittliche Haltestellenabstand beträgt in Wien ca. 300 bis 400 m.

Die Straßenbahn ist das einzige schienengebundene Verkehrsmittel, dass für die Fläche geeignet ist (wesentlich geringere Bau- und Betriebskosten bei größerer Flächenerschließung als bei der U-Bahn).

Stadtbahn/U-Bahn:
Hauptaufgabe ist es große Distanzen in möglichst kurzer Zeit zurückzulegen. Dazu sind viele Haltestellen von Nachteil. Gute 1000 m Stationsabstand sind hier von Vorteil. Man denke an Betriebskosten für die Stationen (Strom, Wartung/Sanierung der Stationen, Wachmannschaft, Videoüberwachung).
Der durchschnittliche Haltestellenabstand beträgt in Wien ca. 700 bis 800 m.

Vergleich Straßenbahn/U-Bahn auf der Strecke
Liechtenwerder Platz - Meidling (Murlingengasse)

  Straßenbahn U-Bahn
Länge (km): x x
durchschnittlicher
Stationsabstand (m):
x x
Anzahl Stationen: 26 (1989) 12 (1989)
     
Fahrzeit (min): 40 (1989) 17* (2010)
Spurweite (mm): 1435 1435
*: Strecke Nußdorfer Straße - Philadelphiabrücke

  
 


 

Widerstand gegen die Stilllegung
 
In der Bevölkerung wurde die geplante Stilllegung nicht teilnahmslos hingenommen. Der 1985 gegründete "Verein Fahrgast" (externer Link) und einige Bürgerinitiativen in den Bezirken entlang der Linie 8 nahmen sich dem Thema an. Argumente für die Beibehaltung der Linie 8 waren deren gute Auslastung, aber auch die Sinnhaftigkeit zweier Verkehrsmittel mit unterschiedlichem Fahrgastpotential (s. oben)

Vor allem die Bewohner des 12. und  15. Bezirks befürchteten eine massive Verschlechterung mit der Versorgung öffentlicher Verkehrsmittel.

Mit der Inbetriebnahme der Strecke Gumpendorfer Straße - Philadelphiabrücke der neuen U6, die aus der Umbenennung der letzten Stadtbahnlinien G/GD am 07.10.1989 hervorgegangen ist, wurde die Straßenbahnlinie 8 zur Mittagszeit während der Feierlichkeiten für die neue U-Bahn eingestellt. Die Stilllegung und geplante Abtragung der Strecke hatte zuvor den Verein Fahrgast und Bürgerinitiativen bewogen Unterschriften für eine Volksbefragung zu sammeln. Die dafür nötige Stimmenanzahl von 56.000 konnte mit 70.000 Unterschriften klar überschritten werden. Der damalige Bürgermeister von Wien, Dr. Helmut Zilk, erklärte bis zur Abhaltung der Volksbefragung die Strecke unangetastet zu lassen.

Von 22. bis 24. Februar 1990 fand (stadtteilweise) eine Volksbefragung über die Zukunft der inzwischen eingestellten Strecke der Straßenbahnlinie 8 statt.

  • Frage: „Sollen wegen der sich bedrohlich verschlechternden Verkehrs- und Umweltsituation in Wien stadtteilweise folgende Volksbefragungen durchgeführt werden?
    • 6., 7., 8., 9., 12., 15., 16., 17., 18., 19. Bezirk: Sind Sie dafür, dass die Straßenbahn auf der Gesamtstrecke der heutigen Linie 8 trotz Gürtelumgestaltung sowie Verlängerung und Umbenennung der Stadtbahn in U 6 erhalten bleibt?
    • 15. Bezirk: Sind sie dafür, dass die Linie 9 der Straßenbahn weiter durch die Felberstraße fährt und nicht einem dort geplanten Straßenausbau für den Autoverkehr weichen muss?
    • 21. Bezirk: Soll der jetzt durch Floridsdorfer Wohngebiet fahrende Schwerverkehr ohne Straßenneubau auf den bestehenden Umfahrungsring verlagert werden?
    • 15., 16. Bezirk: Soll das 3,3 Hektar große Areal auf der Schmelz an der Ecke Gablenzgasse/Possingergasse unverbaut bleiben und als Park öffentlich zugänglich werden?
    • 12. Bezirk: Sollen die Hetzendorfer Kleingartenareale (Altmannsdorfer Anger, Egelsee, Strohberggründe, Gaßmannstraße) unverbaut bleiben?
    • 13., 23 Bezirk:
    a) Soll der 4 Hektar große Grünbereich Maurer Lange Gasse/Kaserngasse von einer Bebauung, auch einer teilweisen, freigehalten werden und für die Bevölkerung zugänglich sein?
    b) Soll das dort befindliche Körnerschlößl als Schulstandort erhalten sowie als öffentliche Öko-Projektschule (10 bis 18jährige) und als öffentliches Kulturzentrum verwendet werden und die genannten Vorhaben bis zum vorliegen der Befragungsergebnisse gestoppt werden?
     
  • Stimmberechtigte: 1.129.808
  • Gültige Stimmen: 68.745
  • Ungültige Stimmen: 286
  • JA: 63.503 (94 %)
  • NEIN: 5.242 (6 %)

Das Gesamtergebnis von 94% Ja-Stimmen lieferte ein eindeutiges Ergebnis - pro Straßenbahn!. Allerdings betrug die Wahlbeteiligung nur 6 Prozent - die niedrigste Beteiligung bei allen Wiener Volksbefragungen bis heute (Stand: 2010). Daher war es leicht von den Verantwortlichen der Stadt, darunter Verkehrsstadtrat Johann Hatzl (SPÖ), die Stilllegung der Strecke nun endgültig zu vollziehen.

Im Sommer 1990 wurde die Oberleitung abgenommen und die ersten Gleise herausgerissen.

Das gesamte Diskussion um den 8er hat dann einige Monate später teilweise zu einem politischen Erdbeben beigetragen. Bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen am 10.11.1991 verlor die SPÖ 7,11% (Endergebnis: 47,81%) und die Grünen gewannen 4,68% (Endergebnis: 9,08%). Die ÖVP erlitt dramatische Verluste von 10,35% (Endergebnis: 18,05%) während sich die FPÖ auf 22,54% verdoppelte. Der Verlust der SPÖ ist, neben den damals unaufhörlich erscheinenden Aufstieg der FPÖ, durch eine verfehlte Verkehrspolitik zurückzuführen, die wiederum den Grünen in Wien dauerhaft zweistellige Wahlergebnisse bescherte.

Dass es bei der Stilllegung von Straßenbahnstrecken und deren "Ersatz" durch U-Bahnstrecken zumeist kein Konzept bei der Nahversorgung mit öffentlichen Verkehrsmitteln gibt, zeigen die nach der Stillllegung der Linie 8 (aufgrund von Anrainerprostesten) eingerichteten Buslinien, die als U-Bahnzubringer dienen und deren Streckenverlauf aufgrund ausbleibender Fahrgäste des Öfteren geändert (gekürzt) wurde.

Auch werden bei U-Bahnverlängerungen immer wieder Etappen von stillgelegten Straßenbahnlinien durch Buslinien ersetzt, da einzelne Haltestellenabstände bei der U-Bahn für bestimmte Personengruppen einfach zu groß sind. Der Vorteil solcher Linien liegt darin, Gebiete entlang früherer Straßenbahnstrecken neu zu erschließen. Nachteilig sind hier die allzu "schlangenförmigen" Streckenverläufe auf kurzen Distanzen und die Kürze dieser Linien, da sie über die nächste U-Bahnstation meist nicht hinausreichen, was zum Umsteigen zwingt und den öffentlichen Verkehr unattraktiver macht.


 

Kurzgeschichte über die Linien, die den "8er" ersetzten:

Streckenstück Ersatz für die Straßenbahnlinie 8
Liechtenwerder Platz - Währinger Gürtel bis Kreuzgasse



Währinger Gürtel ab Kreuzgasse - Hernalser Gürtel bis Ottakringer Straße

Dieses Streckenstück vom 8er ist in Betrieb geblieben. Das Stück Liechtenwerder Platz - Währinger Gürtel bis Währinger Straße dient als Betriebsstrecke vom/zum Betriebsbahnhof Gürtel. Die restliche Strecke wird von der Linie 42 befahren.


Mit 09.10.1989 wurde die neue Buslinie 37A auf der Strecke Ottakringer Straße - Liechtenwerder Platz - Friedensbrücke eröffnet. Entlang des Gürtels fuhren die Busse im Individualverkehr mit, während die eigene Trasse der Straßenbahnlinie 8 brach lag. Dementsprechend verspätungsanfällig und unattraktiv war der Bus.
Diese Streckenführung währte bis 1992, dann wurde die Buslinie zur Sternwartestraße am Währinger Gürtel zurückgezogen. Bis 1993 wurde die Buslinie 37A auf der verbliebenen Strecke, die vom 8er befahren wurde (Liechtenwerder Platz - Sternwartestraße), gänzlich zurückgezogen.

1995 kehrte die Buslinie wieder auf das Streckenstück Liechtenwerder Platz - Sternwartestraße zurück.

Seit 2001 ist der 37A auf der Strecke Engerthstraße/Traisengasse - Dänenstraße unterwegs (Zubringer zur U4 und U6).

Das stillgelegte Streckenstück
Währinger Gürtel ab Kreuzgasse - Hernalser Gürtel bis Ottakringer Straße wurde in einen Fahrradweg umfunktioniert.

Hernalser Gürtel ab Ottakringer Straße - Urban-Loritz-Platz Ersetzt durch die U6.

Auf der früheren eigenen Trasse gibt es nun einen Fahrradweg.
Urban-Loritz-Platz - Europaplatz (Westbahnhof) - Mariahilfer Gürtel - Gumpendorfer Gürtel bis Ullmannstraße Auf dieser Strecke verkehrt heute die U6 bzw. die Straßenbahnlinien 6 und 18.
Ullmannstraße Von 1990 bis 1998 von der "Bezirkslinie" 9A durchfahren (s. unten). Seither ist das Gebiet nur mehr von der Buslinie 57A versorgt. In der Ullmannstraße selbst gibt es keinen öffentlichen Verkehr mehr.
Theresienbadgasse - Meidlinger Hauptstraße

Nach fast einem Jahr nach der Stilllegung der Linie 8  erhielt der 12. und 15. Bezirk wieder ein Nahverkehrsmittel, die Meidlinger Hauptstraße wurde von der neuen Buslinie 9A jedoch nicht mehr durchfahren sondern nur gekreuzt.
1994 wurde der Straßenzug als umgebaute Fußgängerzone eröffnet. 2012 soll diese Fußgängerzone bereits generalsaniert werden.

Die neue Buslinie, zunächst auf der Strecke Philadelphiabrücke - Mariahilfer Gürtel unterwegs, wurde 1993 bis zum Westbahnhof verlängert. Nach mehreren Streckenkürzungen und -umlegungen verkehrt sie seit 1998 nur mehr auf der Strecke Philadelphiabrücke - Meidling Hauptstraße U. Damit ist der Bereich rund um diese Einkaufsstraße von einer Buslinie erschlossen, die schon öfters aufgrund zu geringer Fahrgastzahlen eingestellt werden sollte. Anrainerproteste haben dies bisher verhindert.

Eichenstraße

Wird von der Straßenbahnlinie 62 und der Badner Bahn benützt.

Das Streckenstück wurde bis 1995 regulär von der Straßenbahnlinie 64 befahren.

Schleife Murlingengasse Wird für Kurzführungen der Linie 62 verwendet.

Die Schleife wurde bis 1995 regulär von der Straßenbahnlinie 64 befahren.


 
      Seite aktualisiert am Sonntag, 15. Februar 2015      
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